Folgende Punkte werden zur bestmöglichen Umsetzung der Gleichstellung und Erhöhung der Frauenanteile in Berufungsverfahren und anschließenden Berufungen empfohlen:
- Frühzeitige Erstellung eines Anforderungsprofils und Festlegung von Auswahlkriterien (vor Kenntnis der Bewerber*innenlage),
- Breite und geschlechtergerechte Ausschreibung
- Aktive Ansprache geeigneter Kandidatinnen,
- Einbeziehung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in allen Verfahrensschritten (von der Ausschreibung an),
- Erfahrene und gendersensible Berufungskommissionsvorsitzende,
- Geschlechtergemischte und gendersensible Besetzung größenüberschaubarer Berufungskommissionen mit externen Mitgliedern,
- Beurteilung aller Kandidat*innen nach den gleichen Kriterien (Lehre, Forschung, Praxis und Persönlichkeit),
- Festlegung von Ergebnisquoten bei der Berücksichtigung und Einladung aller formal qualifizierter Bewerberinnen (Vortrag, Berufungsvorschlag/Berufung),
- Gutes Zeitmanagement zur Vermeidung langgezogener Verfahren,
- Anwendung von Kompensationen für Frauen mit Kindern,
- Adäquate sowie geschlechtergemischte Auswahl von Gutachtenden (gemeinsam mit der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten),
- Transparenz im Verfahren (auch gegenüber den Bewerber*innen),
- Neue Ausschreibung bei fehlenden Bewerbungen von Frauen
Im Januar 2015 ist die Vereinbarung von Hessenweiten Qualitätskriterien zur Gleichstellung in Berufungsverfahren zwischen den Universitäten des Landes Hessen und den Fachhochschulen des Landes Hessen und der Hochschule Geisenheim“ in Kraft getreten, mit dem Ziel, den Anteil von Professorinnen in Hessen zu erhöhen.
Die Stellenausschreibung ist der erste Kontakt der Hochschule zu Bewerber*innenn.
Studien zufolge unterscheidet sich das Bewerbungsverhalten von Frauen und Männern und sie reagieren unterschiedlich auf das Wording in Ausschreibungstexten.
Durch die Berücksichtigung bei der Formulierung des Ausschreibungstextes kann diesen Effekten entgegengewirkt werden.
Einige Beispiele:
- Verwendung von Vollformen (z.B. Professorinnen und Professoren, nicht ProfessorInnen) oder neutralen Formen bei der Bezeichnung der Position.
- Aktuell: Durch die Einführung der dritten Option verwendet die HSRM neben neutralen Formulierungen den Gender-Doppelpunkt: Professor:innen - Hinweise zum geschlechtergerechten Formulieren finden Sie hier
- Direkte Ansprache und „Wir-Formulierungen“.
- Kurze und konkrete Sätze (Vermeidung des Nominalstils und von Passivkonstruktionen), Hervorhebungen von Schlüsselinformationen in Fett.
- Durchgängig geschlechtergerechte, diskriminierungsfreie und klare Formulierungen, auch bezogen auf alle mit der Stelle verbundenen Erfordernisse und Aufgaben.
- Vermeidung von stereotypen Attributen, wie bspw. „durchsetzungsfähig“ (eher männlich konnotiert) und „anpassungsfähig“ (eher weiblich konnotiert).
- Gleichwertige Positionierung gleichstellungs- und vereinbarkeitsrelevanter Informationen im Text (nicht einfach als „Muss auch noch mit rein“ ans Ende)
Weitere Informationen siehe Broschüre der Universität Zürich
Die Hochschule RheinMain hat die aktive Rekrutierung von Bewerberinnen noch einmal zusätzlich als integraler Bestandteil ihres Berufungsprozesses im Senat beschlossen.
Handreichung Aktive Rekrutierung von Kandidatinnen (Stand 11.11.2022)
Diese Unterlagen finden Sie zudem im QM-Portal
An dieser Stelle bereits einige einführende Hinweise:
Sondierungsphase:
Bereits 1- 2 Jahre vor der Ausschreibung, bei der Struktur-und Stellenplanung / vor Stellenfreigabe bzw. bei Festlegung der Widmung der Professur und groben Zeitrahmen der Ausschreibung können die Fachbereiche die Information an alle Personen des Fachgebietes weitergeben und sie bitten, nach geeigneten Fachkolleginnen im Rahmen ihrer Kooperationen, Forschungsverbünde sowie auf Konferenzen, in (internationalen) Netzwerken etc. zu sondieren und potentielle Kandidatinnen an das Dekanat zu melden. Auch die Veranstaltung z.B. eigener Sichtungssymposien ist möglich.
Ausschreibungsphase:
- Breite Streuung der Ausschreibung über die Veröffentlichung in (inter-)nationalen Fach- und Berufsverbänden, durch Weiterleitung der Ausschreibung an einschlägige Netzwerke, Verbände und Einstellung in Online- Jobbörsen.
- Gezielte Ansprache potentieller Kandidatinnen unter Berücksichtigung der im Ausschreibungstext genannten Anforderungen und Qualifikationen.
- Wertschätzende Kommunikation, weiterführende Informationen über die Hochschule (Willkommenskultur).
- Verdeutlichung, dass trotz Ansprache die Bestenauslese im Fokus steht und es eben auch andere Bewerberinnen und Bewerber geben wird.
Nach der Ausschreibung:
- Zusätzliche Sondierung und Ansprache von Kandidatinnen, wenn keine oder wenig Bewerbungen von Frauen vorliegen.
Gender Bias = Verzerrungseffekt in einem geschlechtsspezifischen Zusammenhang, der Wissen und Wahrnehmung beeinträchtigt und zu Voreingenommenheit führt
- Studien belegen einen Einfluss des Geschlechts auf Leistungsbewertung
- Verzerrungseffekte erfolgen (meist unbewusst) in der Informationsverabreitung aufgrund von gemachten Erfahrungen und Kenntnissen
- Oftmals sind diese auch kulturell verankert und mit bestehenden soziokulturellen Hierarchien, Stereotypen und Rollenbildern verbunden
- Beispiel: Rekrutierung aus der eigenen sozialen Gruppe (Männer fördern/berufen ähnliche Männer)
Problem: Gender Bias schwierig zu erkennen!
Daher: Bewusstseinsbildung betreiben, Wahrnehmung schäften, aufklären und beraten!
Weitere Informationen: Online Tutorial zum Thema Gender Bias in Berufungsverfahren der Universität Heidelberg
Beispiel: Interpretationsmöglichkeiten von Qualifikationen
(Quelle: Flyer "Gläserne Decke in Berufungsverfahren“, RUB)
- "Sie ist zu spezialisiert, zu eng qualifiziert, sie deckt nur wenige Gebiete, keine fachliche Breite ab“
ODER „Sie ist eine ausgewiesene Expertin, die sich ausgezeichnet in diesem FS-Feld auskennt, weil sie konzentrierte, dichte Forschung macht.“ - „Sie ist zu jung, hat noch keine Erfahrung.“
ODER „Sie hat ein größeres Entwicklungsvermögen, verdient eine Chance und kann uns noch viel bieten“ - „Sie ist in Deutschland noch eher unbekannt, hat vor allem im Ausland gearbeitet.“
ODER Sie ist international ausgewiesen, wird auch international rezipiert.“ - „Sie hat wissenschaftlich nur von ihrer Protektion gelebt, sie verfügt über kein eigenes Profil, hat immer unter der Anleitung eines erfahrenen Profs gestanden.“
ODER „Sie ist sehr produktiv, hat vielfältige Kontakte, ist sehr gut vernetzt. Sie ist ausgewiesen in kollegialer Zusammenarbeit, hat Teamfähigkeit bewiesen.“ - „Sie hat keine Beiträge in Peer-Review-Zeitschriften vorzuweisen.“
ODER „Sie hat grundlegende Monographien in angesehenen Verlagen publiziert.“ - „Sie hat wenige Publikationen.“
ODER „Sie ist keine Alles-Hundert--Mal-Schreiberin, sondern bietet hohe Qualität statt Vielfach- und Massenproduktion.“
Die Handreichung „Gendergerechte und diversitätssensible Führungskultur – Eine Handreichung für Führungskräfte und Hochschulleitungen“ ist das Ergebnis des HMWK-geförderten Projektes der Landeskonferenz hessischer Hochschulfrauenbeauftragten, das von den Präsidien der hessischen Hochschulen und Universitäten mitgetragen wurde.
Die Führungskultur einer Hochschule kann als dieSumme des Verhaltens von Führungskräften bezeichnet werden mit Blick darauf, wie diese ihre Mitarbeiter*innen führen und mit ihnen kommunizieren sowie die Gedanken und Einstellungen, von denen sie sich hierbei leiten lassen.
Somit stellt sich natürlich die Frage: Was bedeuten Gendergerechtigkeit und Diversitätssensibilität konkret für Sie als Führungskraft und Ihr Führungshandeln? Und was für Sie in der Verantwortung als Mitglied der Hochschulleitung?
Diesen Fragen geht die Handreichung nach. es werden praxisorientierte Empfehlungen, Ideen und konkrete Handlungsvorschläge zu folgenden Themenfeldern gegeben:
- Welche Haltung habe ich zum Thema und wiefinde ich eine professionelle Haltung?
- Welche praktischen Tipps gibt es zu den Themengendergerechte und diversitätssensible–Führung, Antidiskriminierung, Verantwortung –und Macht sowie Personalauswahl?
- Was können Hochschulleitungen tun?
- Welches sind relevante Blickwinkel für Kultur- und Organisationsentwicklungsprozesse?
Ziel des Projektes ist es, die Handreichung in allen hessischen Hochschulen umzusetzen.
- bukof (2016): Empfehlungen zur geschlechtergerechten Gestaltung von Karrierewegen an Fachhochschulen
- LaKoG BaWü (2010): Faire Berufungsverfahren. Empfehlungen zur Qualitätssicherung und Chancengleichheit’
- Gleichstellung Universität Konstanz (2018): Gender Bias in der Wissenschaft. Studienergebnisse und Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Wissenschaft
- HIS, Forum Hochschule (2/2011): Dömling, Martina; Schröder, Thomas: Qualitätssicherung in Berufungsverfahren unter Gleichstellungsaspekten. Ergebnisse eines Benchmarkings niedersächsischer Hochschulen
- Broschüre für Berufungskommissionen der Uni Wien
- idw - Institut der deutschen Wirtschaft: https://www.iwd.de/artikel/stellenanzeigen-sechs-tipps-um-frauen-zu-gewinnen-386900/
- Färber, Christine 2010: Chancengleichheit und Qualitätsmanagement in Berufungsverfahren. Handlungsempfehlungen für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte und das Hochschulmanagement. Hamburg: Verlag Dashöfer GmbH.
- Färber, Christine; Spangenberg, Ulrike (2008): Wie werden Professuren besetzt? Chancengleichheit in Berufungsverfahren, Frankfurt am Main
- Lind, Inken (2007): Ursachen der Unterrepräsentanz von Wissenschaftlerinnen – Individuelle Entscheidungen oder Strukturelle Barrieren?, in: Wissenschaftsrat (Hg.), Exzellenz in Wissenschaft und Forschung. Neue Wege in der Gleichstellungspolitik. Dokumentation der Tagung am 28./29. November 2006 in Köln, Köln 2007
- Wissenschaftsrat (2012): Fünf Jahre Offensive für Chancengleichheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – Bestandsaufnahme und Empfehlungen
Link zum Online-Tutorial